Saarland

Das Tor zur Hölle liegt in Silwingen

Versteckt in einem Wald entlang der Mosel an der deutsch-französisch-luxemburgischen Grenze gibt es einen verlorenen Ort mit düsteren Legenden. Der Eisenbahntunnel von Silwingen soll Hunderte von Flüchtlingen verschluckt haben und geradewegs in die Hölle führen. Diese schaurigen Legenden stammen aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts.

Sarre tunnel Silwingen
Eine Mauer verbietet nun den Zutritt aufgrund der Risiken und der Anwesenheit von Fledermäusen. DR

Die vielen Lost Places (eng. verlassene Orte) entlang der Mosel bergen unzählige Geschichten und Legenden. Oft sind die genauen Standorte wohlbehütete Geheimnisse unter den sogenannten Urban Explorern. Wieso? Nicht jeder, der sich für verlassene Ruinen und mysteriöse Orte interessiert, verhält sich wie Urban Explorer: Take nothing but pictures. Leave nothing but footprints. Dafür ist der Silwinger Tunnel ein gutes Beispiel. Er gehört zu den Lost Places, die vor ungebetenen Gästen geschützt werden müssen, die dort Graffitis sprayen, Parties feiern und Müll hinterlassen. Aber was hat es mit dem Tor zur Hölle auf sich, das sich angeblich im Silwinger Tunnel befinden soll?

Der Silwinger Tunnel ist vor dem Ersten Weltkrieg gebaut worden und insgesamt 1,7 km lang, wovon etwa 600 m auf französischem Gebiet verlaufen. Er liegt etwas abseits der Mosel im Wald zwischen Perl und Merzig. Er war Teil der Bahnstrecke von Merzig nach Metz, die über Waldwisse und Bettelainville führte. Die Bahnlinie war Teil einer sogenannten Strategischen Nebenbahn der Reichseisenbahn in Elsass-Lothringen. Auf der französischen Seite des Tunnels gibt es einen Entlüftungsschacht, der mittlerweile zubetoniert ist. Nach der Rückgliederung des Saargebiets ans deutsche Reich kam es zu Grenzstreitigkeiten mit Frankreich, weil ein Teil des Tunnels unter französischem Territorium verläuft. Infolge des Streits wurden 1936 die beiden auf der deutschen Seite liegenden Tunnelportale zugemauert.

Das Tor zur Hölle

Für diesen Artikel wurden viele Blogartikel und Webarchive als Quelle benutzt, um die Legende zusammenzutragen. Einige von ihnen widersprechen sich in ihren Erzählungen, aber so soll sich das Tor zur Hölle geöffnet haben: 

Kurz vor dem Ende des 2. Weltkriegs haben sich der Legende nach hunderte Flüchtlinge in dem Tunnel versteckt, um den Bomben zu entfliehen. Voller Angst entdeckt zu werden, haben sie in dem fast zwei Kilometer langen Tunnel ausgeharrt. Erst vibrierten die Schienen, dann hörten sie einen Zug anrauschen - doch sie waren nicht schnell genug. Der Zug fuhr ungebremst über die Menschen hinweg und riss sie alle in den Tod. Die Wände des gesamten Tunnels sollen laut Augenzeugen mit dem Blut der Menschen verschmiert gewesen sein. Die Leichen waren demnach kaum noch zu identifizieren. Der Zug hatte laut der Legende eine geheime Fracht geladen und durfte unter keinen Umständen bremsen - auch wenn es bedeutete, hunderte Menschen zu töten. Angeblich transportierten die Wagons Kunstwerke aus Frankreich, die unbedingt vor den immer näher kommenden Alliierten in Sicherheit gebracht werden musste.

Seinen Zielbahnhof soll er nie erreicht haben. Fuhr der Zug direkt in die Hölle? Noch heute soll man inmitten des Tunnels den Geisterzug anrasen hören. 

Seitdem gibt es zahlreiche Mythen um den Tunnel. Zum Beispiel soll ein Bauunternehmer sich in dem Tunnel das Leben genommen haben. Eine Gruppe junger Menschen soll aus Abenteuerlust in den Tunnel gegangen, aber nie wieder rausgekommen sein. Die Geister dort sollen ihnen so große Angst eingejagt haben, dass sie alle dort gestorben sind. Auch ein Wanderer des Wandervereins Eisenbahnfreunde Solingen e.V. soll auf mysteriöse Weise im Tunnel verschwunden sein. Eine Zeit lang kursierte hierüber laut vieler Forenbeiträge ein Artikel von Marcel Fischer im Internet. Der sei aber gefälscht und sollte nur die Legende weiter befeuern, denn der Verein wusste auf Anfrage nichts über ein vermisstes Vereinsmitglied. 

Bedrohte Fledermäuse

Diese Geschichten sind gruselig, vielleicht ganz unterhaltsam, aber mehr auch nicht. Die Geschichte taucht um 2005 das erste Mal in einem Forum für Geocacher auf und ist eine fiktionale Kurzgeschichte. Vermutlich war das Ziel, den Geocaching Standpunkt mit einer Gruselstory etwas spannender zu gestalten. Geocaching ist eine Art Schatzsuche, bei der mit GPS-Koordinaten sogenannte Caches gefunden werden müssen. Das sind meist kleine Behälter mit einer Nachricht, manchmal auch einem Geschenk oder einem Logbuch, in dem man sich eintragen kann.

Die Faktenlage sieht so aus: Schon 1936 gab es Grenzstreitigkeiten mit Frankreich, nachdem das Saarland zurück an das deutsche Reich angegliedert wurde. Daraufhin wurden die beiden Portale, die nun auf deutscher Seite lagen, zugemauert. 1939 wurde die Eisenbahnbrücke bei Merzig gesprengt und nicht wieder aufgebaut, sodass die Strecke zwischen Merzig und Waldwisse endgültig stillgelegt wurde. 1941 wurde dann wieder der Zugbetrieb zwischen Mondorf und Bettelainville aufgenommen. Am 25. November 1944 haben US-amerikanische Truppen die Trümmer auf der Strecke beseitigt und sie notdürftig repariert, um Truppen bis nach Mondorf zu bringen. Ob dafür auch der Silwinger Tunnel genutzt wurde, ist unklar. Im Jahr 1967 wurden die letzten Schienen auf der Strecke beseitigt, deshalb gibt es in dem Tunnel auch nur Schotter auf dem Boden. 

Für die fantastische Geschichte gibt es keine Beweise oder Belege. Im Tunnel gibt es weder Knochenreste noch Spuren von Blut, dafür aber zahlreiche sogenannte Schutznischen, in denen die Flüchtlinge aus der Legende Schutz gefunden hätten. Woher aber die Berichte über die Geräusche des Geisterzuges kommen, ist recht einfach zu erklären. In den Erzählungen heißt es immer wieder, dass man zur Mitte des Tunnels gehen müsse, um den Zug zu hören. Das macht Sinn, denn dort befindet sich der Entlüftungsturm. Der ist zwar verschlossen, aber weht der Wind über den Turm, könnte auch durch die Betonplatte in der Decke ein Geräusch zu hören sein. Dazu mischt sich das Rauschen des Wassers, das sich an vielen Stellen durch die Wände drückt. Der YouTuber Ralf berichtet auf seinem Kanal “Mysterien der Vergangenheit”, dass nur wenige Meter entfernt das Wasser aus der Wand sprudelt.

Die heutige Situation

Der Tunnel gehört also nicht zu den eben erwähnten geheimen Orten und leider sieht man das dem alten Eisenbahntunnel auch an. Die Betonwand ist mit Graffitis besprayed und leider findet sich auch viel Müll vor den Eingängen. Die Deutsche Bahn ist für den Tunnel verantwortlich und hat Mitte 2007 Zaunabsperrungen mit Gittertoren angebracht. Diese wurde zwischenzeitlich zerstört und durch eine etwa 2,50 Meter hohe Betonwand ersetzt. Der Tunnel ist aus zwei sehr guten Gründen verschlossen. In dem Tunnel besteht Lebensgefahr. Nicht etwa weil ein Geisterzug durchrollt oder weil der Tunnel in die Hölle führt, sondern weil er einsturzgefährdet ist. Zweitens ist der Silwinger Tunnel das Zuhause bedrohter Fledermausarten. Ein Gutachten des saarländischen Landesamtes für Umwelt- und Arbeitsschutz berichtet, dass gerade die Urban Explorer ein großes Problem darstellen. Das Licht der Fackeln und Lampen und der Lärm, den sie beim Durchqueren verursachen, stört den Winterschlaf der Fledermäuse.

Wer den Tunnel aber trotzdem mal von innen sehen möchte, der findet auf YouTube ganz viele Videos der Urban Explorer, die sich hinein getraut haben und ihre Version der Gruselgeschichte erzählen. Wer lieber liest, kann sich aber auch die Krimis “Kullmann in Köln” von Elke Schwab oder “Das Tor zur Hölle - Der Tunnel von Silwingen” von Sascha Ruppenthal besorgen. 

Sarre tunnel Silwingen

Die Legende schöpft aus der realen Geschichte der deutsch-französischen Spannungen des letzten Jahrhunderts. © Allmystery

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