Elsass

In der Humanistischen Bibliothek von Sélestat ist die rheinische Renaissance immer auf dem neuesten Stand

Das Museum umfasst eine einzigartige Sammlung von Werken aus dem Mittelalter und der rheinischen Renaissance, die um die Sammlung des Seeländers Beatus Rhenanus, eines bedeutenden Intellektuellen und Freundes von Erasmus, herum aufgebaut wurde.

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©Ville de Selestat

Es könnte eine weitere malerische elsässische Stadt mit charmanten Fassaden aus Voluten und Fachwerk sein. Doch in Sélestat bleibt der Geist der Renaissance nicht bei den architektonischen Erinnerungen stehen. Er weht noch immer kräftig hinter den alten Mauern und zwischen den eleganten modernen Säulen (1) der Humanistischen Bibliothek. Die Pfarrsammlung der Stadt und die Sammlung des Selestatters Beatus Rhenanus bilden die Grundlage für einen außergewöhnlichen Bestand an Werken aus dem Mittelalter und der Renaissance, der in das Register „Memory of the World“ der UNESCO aufgenommen wurde.

Ein Europäer vor der Zeit

An der Schnittstelle und im Einklang mit den beiden großen europäischen Zentren der Renaissance blüht der Rheinraum im 15. und 16. In seinem Zentrum spielen Sélestat und seine Lateinschule eine führende Rolle bei der Verbreitung von Wissen. Die kirchliche Sammlung wird davon genährt. Das Herzstück des Museumsschatzes sind jedoch die 671 Werke, die Beatus Rhenanus seiner Stadt 1547 vermacht. Als führender Intellektueller und Freund von Erasmus von Rotterdam war der Selestädter ein Paradebeispiel für den rheinischen Humanismus. Seine Bibliothek ist ein einzigartiges Zeugnis der damaligen Zeit, der für sie typischen Neugier und der humanistischen Lehre. Die Dauerausstellung geht von dieser herausragenden Persönlichkeit aus, von der ein bewegendes Schulheft präsentiert wird.

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Chloé Carré, die Direktorin der Humanistischen Bibliothek. DR

„Was mich immer wieder erstaunt, ist, dass die Bibliothek von Beatus Rhenanus europäisch ist. Er tauscht sich mit deutschen, italienischen und niederländischen Intellektuellen aus... Er ist ein Europäer vor der Zeit. Der biografische Ansatz der Ausstellung ermöglicht es dem breiten Publikum, sich in die Lage des Gelehrten hineinzuversetzen“, schwärmt Chloé Carré, die Direktorin der Humanistischen Bibliothek.

Merowingisches Manuskript aus dem 7. Jahrhundert

Der im Laufe der Zeit erweiterte Bestand der Institution besteht heute aus 460 Handschriften, 550 Inkunabeln (vor 1501 gedruckte Bücher) und 2.500 Drucken aus dem 16. Jahrhundert, die zum Teil digitalisiert wurden und online eingesehen werden können (2). Zu den Highlights der Ausstellung gehören bei den Handschriften ein merowingisches liturgisches Buch aus dem 7. Jahrhundert, ein Buch der Wunder der heiligen Foy aus dem 11. und 14. Jahrhundert mit wunderschönen Illuminationen und eine Bibel aus dem 13. In der Abteilung für Inkunabeln bildet die Nürnberger Chronik von Hartmann Schedel (1493) eine Enzyklopädie, die mit 1800 Holzschnitten illustriert ist. Die Illustrationen des Herbarum vivae eicones ad naturae imitationem von Otto Brunfels (1530), ein Werk, das die Anfänge der botanischen Wissenschaft markiert, gelten als Meisterwerke der Renaissance. Der Besucher kann auf Bildschirmen in mehreren Werken blättern. Das digitale Werkzeug ermöglicht es auch, sich mit den Techniken des Buchdrucks vertraut zu machen.

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Buch der Wunder der heiligen Foy aus dem 11. und 14. @ville-de-selestat

„Fact-Checking“ mit Beatus

Der ständige Rundgang ist mit Objekten gesäumt, die von Plänen und einem Modell von Sélestat über archäologische Funde bis hin zu religiösen Werken reichen. „Botanik, Astronomie, Geografie... Der Bestand, der oft in Altdeutsch ist, ist nicht leicht zugänglich. Die Besucher brauchen konkrete Elemente, um einen Kontext herzustellen. Die Digitalisierung ist natürlich auch ein außergewöhnliches Werkzeug, aber wir setzen sehr stark auf die Begegnung mit dem Team und die menschliche Vermittlung“, betont Chloé Carré. Und das, um die Vergangenheit ebenso wie die Gegenwart zu verstehen: „Viele der von Beatus Rhenanus durchgeführten Maßnahmen sind auch heute noch aktuell, wie zum Beispiel die Sorgfalt, mit der er die Informationen überprüft. Das ist eine gute Grundlage für gemeinsames Nachdenken“.

(1) Der vom italienischen Architekten Rudy Ricciotti gezeichnete und 2018 eingeweihte moderne Erweiterungsbau ergänzt eine ehemalige Weizenhalle im neuromanischen Stil (19. Jh.), in die die Humanistische Bibliothek im 19. Jahrhundert eingezogen war.

(2) Insgesamt sind 697 Bände und 265 Briefe von Beatus Rhenanus in digitaler Form durchsuchbar.

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© ville-de-selestat

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