Basel

Das Goetheanum erzählt Rudolf Steiners Geschichte

Die Architektur des 1928 unweit von Basel eröffneten Gebäudes überführt das spirituelle Gedankengut des österreichischen Philosophen und Okkultisten, Begründers der Anthroposophie und der biodynamischen Landwirtschaft, der vor einem Jahrhundert verstarb, in die materielle Form.

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© Goetheanum/Xiu Li

Rudolf Steiner (1861–1925), Vertreter der Rationalität, hat zahlreiche Landwirte überzeugt. Die Bildungsbewegung, die sich auf seine pädagogischen Grundsätze stützt, zählt weltweit rund 1.200 Schulen. Im Zentrum dieses spirituellen Gefüges steht das Goetheanum – Sitz der Allgemeinen Anthroposophischen Gesellschaft und der Freien Hochschule für Geisteswissenschaft –, in Dornach, rund zehn Kilometer südlich von Basel. Anlässlich des 100. Todestages von Rudolf Steiner bietet der Ort ein umfangreiches Veranstaltungsprogramm.

Ständige Metamorphose

Von Rudolf Steiner entworfen, aber erst nach seinem Tod im Jahr 1928 eröffnet, entspricht das überraschende Betongebäude nicht den ästhetischen Regeln seiner Zeit. Bereits der Name des Gebäudes verweist auf den deutschen Dichter Johann Wolfgang von Goethe, dessen Gedanken Steiners „Anthroposophie“ beeinflussten. Diese „Geisteswissenschaft“ soll dem Menschen helfen, seinen Platz in der materiellen Welt zu finden, indem sie ihn zu einer eigenständigen spirituellen Orientierung anleitet. Jedes Detail, Form oder Farbe, ist Ausdruck einer Metamorphose. Das Gebäude, dessen Außenwände weitgehend ohne rechte Winkel gestaltet wurden, ist zudem ein bemerkenswert.

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© Goetheanum/Xiu Li

Oper und internationale Begegnungen

Im Herzen des 37 Meter hohen Gebäudes bildet der „Große Saal“ eine Mischung aus Berufung und Geschichte. Das Goetheanum war bei seiner Eröffnung noch nicht vollständig fertiggestellt, und seine Innenräume wurden im Geiste des spirituellen Begründers im Laufe des 20. Jahrhunderts ausgestaltet. Die Dekoration des Großen Saals, die das Thema der spirituellen Entwicklung des Menschen hervorhebt, wurde einer ersten Version des Goetheanums aus Holz nachempfunden, das 1920 vollendet und drei Jahre später durch ein Feuer zerstört wurde. Der Saal bietet bis zu 1.000 Personen Platz für Opernaufführungen und Eurythmie-Darbietungen – einer von Rudolf Steiner entwickelten Kunstform, die Körper und Geist miteinander verbinden will.

„Das Goetheanum ist ein Ort der Spiritualität und der Kunst. Es ist auch ein Ort der Begegnung und der Forschung“, betont eine Führerin. Regelmäßig finden hier Konferenzen, Symposien und internationale Kongresse statt. Eine Dauerausstellung erzählt Steiners Leben und stellt die Anthroposophische Gesellschaft sowie die Fachbereiche der Freien Hochschule für Geisteswissenschaft vor. Eine monumentale Skulptur sowie Gipsmodelle des ersten Goetheanums und anderer von Rudolf Steiner entworfener Bauwerke sind ebenfalls zu sehen.

Entdeckungspfad

Das Goetheanum liegt in einem Park mit Gärten, die im Geiste der Anthroposophie und nach den Prinzipien der biodynamischen Landwirtschaft gestaltet und gepflegt werden, ausgerichtet nach der Stellung der Himmelskörper. Das heutige Bauwerk und seine Vorgänger haben eine ganze Konstellation von Nebengebäuden inspiriert, die zwischen 1914 und 1924 errichtet wurden – sowohl auf dem Gelände selbst als auch im umliegenden Viertel. Ein Architekturpfad verbindet rund fünfzehn Beispiele dieser „organischen“ Architektur – vom Umspannwerk über das Heizhaus bis hin zum Glashaus, das das Doppelkuppelmotiv des ersten Goetheanums aufgreift.

(1) Auch mögliche sektenartige Tendenzen werden kritisch betrachtet. In Frankreich ruft der Bericht 2022–2024 der Miviludes (Interministerielle Mission zur Wachsamkeit und Bekämpfung von sektiererischen Abweichungen) zur Vorsicht gegenüber Waldorf-Steiner-Schulen auf. Er weist unter anderem auf Sicherheitsmängel, unzureichende Betreuung der Schüler, eine Vermischung von Wissenschaft und esoterischen Konzepten sowie mangelnde Einhaltung des gesetzlich festgelegten gemeinsamen Bildungsrahmens hin.

(2) In Deutschland gibt es etwa 250 Steiner-Schulen, in der Schweiz und in Belgien jeweils rund dreißig, in Frankreich etwa zwanzig und in Luxemburg nur eine.

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Das Glashaus (Glashaus), innerhalb des Parks und am Architekturweg gelegen, greift das Motiv der beiden Kuppeln des ersten Goetheanums auf, das durch ein Feuer zerstört wurde. © Goetheanum/Xiu Li

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